Krampl, Peter: Komplexe Nichtlineare Optik - Theoretische Charakterisierung der 2- Photonen Resonanz nichtzentrosymmetrischer Materie |
Die in den letzten Jahren veröffentlichten
theoretischen und experimentellen wissenschaftlichen Aufsätze [PA04, AHPPW03, PWA02,
HPA03] haben uns veranlasst, das Verhalten von nichtzentrosymmetrisch
gebundenen Elektronen im nichtlinearen Regime zu untersuchen. Diese sind in
dieser Arbeit insbesondere die Generation höherer Harmonischer an
nichtzentrosymmetrischer Materie. Der Bulk von Festkörpern ist zudem gut
erforscht und in der Literatur dargestellt. Nichtzentrosymmetrische Medien
dagegen sind simulationstechnisch sehr viel schwerer zugänglich und nur wenig erforscht.
Bislang gibt es keine analytische Lösung der Bewegungsgleichung für nichtzentrosymmetrisch
gebundene Oberflächenelektronen in Wechselwirkung mit bichromatischen
photonischen Feldern. Dabei spielt sich die interessante Physik an der
Oberfläche von Festkörpern ab, weil dort die zentrosymmetrische Bedingung verletzt
ist, d. h. es findet keine Inversion aufgrund der Abwesenheit von Inversionssymmetrie
statt.
In dieser Masterarbeit soll erstmals
der genaue Mechanismus dieser speziellen Licht- Materie Wechselwirkung
untersucht und eine exakte mathematische Modellbildung gefunden werden, welche
auch für die Beschreibung organischer Systeme relevant wird. Nichtzentrosymmetrische
Medien können Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Materialien, sowie Flüssigkeiten
oder Festkörperoberflächen sein. Wo es nötig war, wurden die Betrachtungen auf
das Modell der kondensierten harten Materie kristalliner Festkörper konzentriert. Dabei beschäftigt sich die vorliegende Arbeit ausschließlich
mit dem Elektronensystem, wobei die adiabatische Näherung von Born und Oppenheimer
(1927) zugrunde gelegt wurde, in der das Elektronensystem und die Gitterdynamik
der Atomkerne entkoppelt sind. In dieser Approximation ist die Bewegung der
Atomkerne wegen ihrer 104 bis 105-fach größeren Masse
sehr viel träger als die der Elektronen. Damit erscheinen für das
Elektronensystem die dazu vergleichsweise langsamen Schwingungen der Atomkerne
(Phononen) näherungsweise eingefroren zu sein, d. h. dem Atomkern können
fixierte Koordinaten zugeordnet werden. Im Modell kondensierter Materie sind die
meisten dieser Elektronen als Kern-Elektronen wegen der starken
Coulomb-Anziehung fest an die Atomkerne gebunden. Sie bilden mit den Atomkernen
eine Einheit, ein Ion. Zur Beschreibung der Valenz-Elektronen sind insbesondere
ihre Dynamik und ihr energetischer Zustand wichtig. Ihre Beweglichkeit wird
durch die kinetische Energie beschrieben. Sie bewegen sich nicht frei, sondern
erfahren ein durch die Kern- Elektronen abgeschirmtes Coulomb-Potential der
Atomkerne. Korrelationen zwischen den einzelnen Valenzelektronen werden
vernachlässigt. Es verbleiben wenige bewegliche Valenz-elektronen,
die jedoch aufgrund ihrer Beweglichkeit die elektrischen, magnetischen sowie
einen Teil der thermodynamischen Eigenschaften der Festkörperoberfläche bestimmen.
Zur Beschreibung dieser Systeme lassen sich störungstheoretische Analysen, wie
die klassische Störungsrechnung, mit asymptotischen Näherungsverfahren sehr
erfolgreich anwenden. In diesen Näherungen wird in den höheren Ordnungen eine
genauere Beschreibung der einzelnen Valenz- Elektronen in nichtzentrosymmetrischer
Materie erreicht.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist
eine analytische und numerische Untersuchung von nichtzentrosymmetrischer
Materie in Wechselwirkung mit multichromatischen Photonenfeldern. Die Arbeit
ist wie folgt gegliedert: Kapitel 1 rekapituliert die in dieser Arbeit
verwendeten Methoden und Modelle zur Beschreibung höherer Harmonischer an
nichtzentrosymmetrischer Materie, welches den derzeitigen Stand der Forschung
wiedergibt. In Kapitel 2 wird die Hamilton´sche
Struktur nichtzentrosymmetrisch gebundener Elektronen im nichtlinearen
Potential erforscht, deren Ergebnisse zum Verständnis der darauffolgenden, im
speziellen zum Verständnis der frequenzabhängigen Amplitude, wichtig sind. In
den Kapiteln 3 bis 6 werden verschiedene Phänomene der Physik kondensierter
harter Materie analysiert. Jedes dieser Kapitel kann unabhängig von den anderen
gelesen werden und beginnt jeweils mit einer ausführlichen Einführung in die
jeweilige Problemstellung. Das ist in den Kapiteln 3 und 4 die Frage nach dem
exakten klassischen Mechanismus für den nichtlinearen Elektronenresponse
in der Zeit- und Fourierdomäne. Es werden neue
Ergebnisse für nichtlinear aktivierte und verstimmte Systeme vorgestellt. Bislang
war abseits des einfachsten Modells dieser Art, in der linearen Approximation,
wenig bekannt. Insbesondere werden dabei die Veränderungen mit wachsender Nichtlinearität
für beliebige Ordnungen der Harmonischen und Subharmonischen erforscht. Im
darauffolgenden Kapitel 5 werden mit diesen Erkenntnissen neue Ergebnisse für
die makroskopischen optischen Response Tensoren erhalten, wobei Kapitel 6 mit
der Betrachtungsweise des kollektiven Verhaltens nichtzentrosymmetrisch
gebundener Elektronen im "Simplified bond- hyperpolarizability model"
(SBHM), die Arbeit abschließt.
Kapitel 1
In diesem Abschnitt werden die Methoden und Modelle vorgestellt, wie sie in dieser Arbeit benützt wurden. Die Maxwell´schen Gleichungen, welche alle elektromagnetischen Phänomene beschreiben, sind etabliert und werden hier deshalb nicht explizit angeführt. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die Wechselwirkung von Licht mit nicht- zentrosymmetrischer Materie. In isotropen, nichtmagnetischen (μ = 1), nichtlinearen Medien ohne freie äußere Ströme und Ladungen mit , in dem räumlich konstant ist, d. h. , können ebene Wellen als Lösungen der Wellengleichung angesetzt werden. Dabei ist im nichtlinearen Regime immer klein und für ebene Wellen kann es immer vernachlässigt werden. Mit
erhält man die
Wellengleichung unter Ausblendung höherer Multipolmomente in Form der
elektrischen Dipolmomentapproximation mit der Beziehung zwischen den
Vektoren D, P und E:
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(1.1) |
wobei die
Polarisation mit zusätzlich in einen nichtlinearen Teil aufspalten
wurde. Mit dem Ansatz ebener Wellen in der Annahme dass mehrere Wellenlösungen
unterschiedlicher Frequenzen existieren, mit , und
ergibt sich die Lösung der Wellengleichung zu
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(1.2) |
wobei
die Frequenzkomponenten von D und E mit über eine
frequenzabhängige dielektrische Funktion ε(1)(ω)
zusammenhängen, die im Falle von Verlusten auch komplex sein kann. Als Ergebnis
erhält man eine Wellengleichung, in welcher die Polarisation mit dem
nichtlinearen Response assoziiert wird, welches das elektrische Feld antreibt.
Die nichtlineare Polarisation wirkt dabei als treibender Term für die
elektromagnetische Welle der entsprechenden Frequenz. In der Wellengleichung
treten keine räumlichen Abhängigkeiten auf. Im Allgemeinen ist die Polarisation
eine Funktion der Zeit t und der räumlichen Koordinaten r. Jedoch im Modell der
elektrischen Dipolnäherung ist das elektrische Feld gleichmäßig über das
gesamte Molekül verteilt und die räumliche Abhängigkeit der Polarisation geht
verloren, d. h. .
Das
Problem besteht jetzt darin, die nichtlineare Polarisation zu berechnen. Im
linearen Fall ist die Polarisation verbunden mit dem externen optischen Feld
durch die lineare Suszeptibilität in der Zeit- und Ortsdomäne gemäß:
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(1.3) |
Fouriertransformation der obigen Gleichung liefert,
mithilfe des Faltungstheorems, Ausdrücke für die Raum- Zeitintegrale, in Form
eines Produkts der jeweils Fouriertransformierten von
und .
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(1.4) |
bzw.
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(1.5) |
mit
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(1.6) |
und
|
(1.7) |
Mit den Maxwell- Gleichungen können
wir in die lineare
dielektrische Funktion konvertieren. Wir erhalten einen Tensor 2. Ordnung:
|
(1.8) |
Für den allgemeinen Fall ist es
möglich Gleichung (1.3) explizit in einen linearen Teil und in nichtlineare
Teile aufzuspalten [SYR84]:
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(1.9) |
Wie
zuvor kann Gleichung (1.9) fouriertransformiert
werden und man erhält:
|
(1.10) |
wobei die nichtlineare Suszeptibilität
für den allgemeinen Fall ein Tensor (N+1)- ter
Ordnung ist und von ω und k
abhängt. Die Frequenzabhängigkeit ist implizit für den Rest dieser Arbeit
wichtig.
|
(1.11) |
mit als Tensorkomponenten
der diskreten Superposition der nichtlinearen elektrischen Suszeptibilität N- ter Ordnung, mit den Fourierkomponenten , welche
positiv, negativ oder 0 (resonante Frequenzen) sein können. Der Übergang zur
diskreten Betrachtungsweise ist im Falle monochromatischer optischer Felder
möglich. Die elektrische Suszeptibilität N- ter
Ordnung charakterisiert
die optischen Eigenschaften eines Mediums, welches darüber Auskunft gibt, wie
das optische Material aufgrund des Feldresponses polarisiert wird. Die
folgenden allgemeinen Beziehungen gelten für alle elektrischen Suszeptibilitäten:
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(1.12) |
Dies ergibt sich aus der Konsequenz
reeller Felder. Unter Berücksichtigung des Energieerhaltungssatzes lässt sich
anschreiben:
|
(1.13) |
sofern
nicht die Summenfrequenzerzeugung (SFG) gilt. Zudem ist die intrinsische
Permutationssymmetrie gültig. Dabei können zwei Indizes permutiert werden, wenn
gleichzeitig die dazugehörigen Frequenzen permutiert werden.
|
(1.14) |
Mit der jetzt bekannten
Suszeptibilität ist es möglich,
den nichtlinearen Response N- ter Ordnung für jede
Frequenzkombination des eingestrahlten optischen Feldes zu berechnen. In der
lokalen Feldapproximation ist die Suszeptibilität unabhängig von r. Damit sind und unabhängig von k.
Festkörperoberflächen
kann man sich als eine Ansammlung von vielen ortsfesten polarisierbaren Atomen
zusammengesetzt vorstellen. Das Ewald- Oseen- Extinktions- Theorem beschreibt die Reflexion von Licht an der
Substratoberfläche auf atomarer Ebene durch diese strahlenden Dipole. Dabei
erzeugt das optische Feld an der Festkörperoberfläche durch Polarisation der
Atome ein ganzes Ensemble von Dipolen, deren emittierte Strahlung zum einen das
optische Feld auslöscht und eine Polarisationswelle erzeugt, welches dem Snell´schen Gesetz gehorcht. Letztendlich wird dieses Licht
mit den neuen Eigenschaften von der äußersten Dipolschicht vom Substrat
emittiert. Dabei wird das abgestrahlte Licht zum reflektierten Strahl, wie in Abb.
(1.1) anschaulich gezeigt wird. Von den beiden verbliebenen Beiträgen
propagiert der Erste mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit in den Raum und
gehorcht der Wellengleichung für das Vakuum, wobei der einfallende Strahl
vollständig absorbiert wird. Diesen Sachverhalt zeigte Ewald für diskrete
Dipole [EPP16, EPP12] und
Oseen für das Kontinuum [OCW15]. Der zweite Beitrag
transmittiert mit verminderter Geschwindigkeit c/n durch das Medium und erfüllt
das Snell´sche Gesetz. Weil die Intensität der
erzeugten und der emittierten Strahlung in der gleichen Größenordnung liegen,
müssen neben den emittierten Feldern auch deren Quellen berücksichtigt werden,
weil sich diese zusätzlich auf die Antwort der Materie auswirken. Aufgrund der
schwächeren Intensitäten der erzeugten höheren Harmonischen, welche zudem bei
verschiedenen Frequenzen erscheinen, kann in der nichtlinearen Optik dieses
schwierige Problem ausgeblendet werden. Dies stellt zur linearen Optik,
entgegen der Intuition, eine erhebliche Vereinfachung bei der Behandlung
nichtlinearer Systeme dar. Deshalb ist es möglich, die einzelnen
Strahlungsbeiträge zu bestimmen und ihre individuellen kohärenten nichtlinearen
optischen Beiträge durch Aufsummierung ihrer Felder im Fernfeld
zu erhalten.
Abbildung 1‑1
zeigt schematisch das Ewald- Oseen Extinktions Theorem an nichtzentrosymmetrischer Materie.
Die orientierten Oberflächendiplole sind entlang der
Grenzlinie als blaue Doppelpfeile dargestellt.
Die
typische Dimension dieser atomaren Dipol- Strahler liegen in der Größenordnung
des 1. Bohr’schen Radius . Ihre typischerweise emittierte Strahlung liegt somit
im sichtbaren Bereich. Mit Wellenlängen von Atomgrößen und Atomgrößen
erhält man damit im Mittel Atomabmessungen, die in etwa um einen Faktor 10000
kleiner sind, als die Wellenlänge des optischen Lichtfeldes, mit dem das Atom
wechselwirkt. Damit sind die elektrischen Dipolübergänge in Atomen dominant und
viel intensiver gegenüber denen mit höheren Multipolfeldern.
Die nichtlineare Optik ist aufgrund
ihrer höheren Ordnungssymmetrie von besonderem Interesse, die es erlaubt
Oberflächen- und Bulkmaterial selektiv zu untersuchen. Aus diesem Grund ist die
nichtlineare Optik im Bereich der spezifischen Oberflächen- Diagnostik sehr
nützlich. Es bietet sich hier an, die makroskopischen Symmetrieregeln zu
untersuchen, unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Formulierung der
nichtlinearen Optik. Die elektrische Suszeptibilität ist eine Eigenschaft des
Materials und eine makroskopische Beschreibung ihrer elektronischen Struktur.
In nicht- zentrosymmetrischer Materie sind nur gerade Ordnungen des
nichtlinearen Responses erlaubt, wohingegen ungerade Ordnungen verboten sind,
was hier kurz gezeigt werden soll. Zentrosymmetrische Systeme sind gegenüber
einer Paritäts- Transformation ihrer kartesischen Koordinaten gemäß invariant, nichtzentrosymmetrische Systeme
dagegen nicht. Wenn eine Paritätsoperation auf die Vektoren P und E ausgeführt werden soll mit ,, können
die elektrischen Felder in den Richtungen und , indiziert mit angesetzt
werden und man erhält eine resultierende Polarisation in - Richtung, wobei der Polarisations- Betrag für beide
Richtungen gleich bleibt.
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(1.15) |
Für gerades N erhält man:
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(1.16) |
Der einzige Wert, welcher diese
Gleichung erfüllt, ist . Dies
beinhaltet, dass keine Polarisationen gerader Ordnung in zentrosymmetrischen
Materialien beobachtet werden können. Deswegen ist unter Einbeziehung von Dipol verboten in zentrosymmetrischen
Materialien. Ungerade Ordnungen dagegen sind nach Gleichung (1.15) unter einer
Paritäts- Operation offensichtlich auch für alle Polarisationswerte ungleich
Null erfüllt. Daher sind Harmonische gerader Ordnung in zentrosymmetrischer
Materie Dipol verboten (zweite, vierte, ...), wohingegen die Generation
ungerader Harmonischer (dritte, fünfte, ...) erlaubt sind.
In dieser Arbeit wir das Konzept der asymptotischen
Näherungsverfahren nach [BM65] verwendet, welches hier auf das Problem
nichtzentrosymmetrischer Materie angewandt wird. Das Randwertproblem, welches
es dabei zu approximieren gilt, ist ein konservatives Schwingungssystem der
Form:
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(1.17) |
Bei einem stationären Zustand ist die
Amplitude konstant und ihre Ableitung folglich Null. Für eine beliebig genaue
m- te Näherung erhält man für die Amplitude
unveränderliche stationäre Werte b der Gestalt:
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(1.18) |
Um höhere Näherungen eines stationären
Zustands zu erhalten wird die Lösung von (1.17) in der Form dargestellt,
die eine periodische Funktion von mit der Periode
2 π ist. Die Amplitude erfüllt diese
Gleichung wenn der Gleichung
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(1.19) |
genügt. Die Lösung (1.17) mit und erhält man in
Gestalt der Reihenentwicklung
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(1.20) |
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(1.21) |
deren Koeffizienten, sich mit (1.20)
und (1.21) substituiert in (1.19), aus den daraus folgenden Gleichungen
bestimmen lassen. Dabei sind die 2 π
periodische Funktionen von .
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(1.22) |
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(1.23) |
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(1.24) |
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(1.25) |
Mit den
daraus bestimmten Funktionen und Größen lassen sich mit
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(1.26) |
die (N+1)- te
Näherungslösung für stationäre Schwingungen von (1.17) bestimmen, wobei gilt:
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(1.27) |